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Überstunden – Sind sie ein Gang zum Anwalt wert?

Die Schlagzahlen haben es erneut bestätigt: Nirgendwo wird so viel gearbeitet, wie in Deutschland. Dabei sind es nicht nur das schlechte Gewissen gegenüber den Kollegen oder die Angst, als Fahnenflüchtling abgestempelt zu werden für die hohe Zahl an geleistet Überstunden verantwortlich. Auch der Chef macht häufig Druck.

Und viele Arbeiter und Angestellte nehmen es zähneknirschend hin, dass ihre Lebenszeit durch den Beruf langsam aufgezehrt wird. Ja, manch einer ist sogar Stolz auf seine hohe und überdurchschnittliche Zeit im Büro.

Wann immer ich sehe, wie so ein pflichtbewusster Mensch mit stolzgeschwellter Brust von seinen “Arbeitszeiten” berichtet, stelle ich mir folgendes Szenario am Ende seines Lebens vor…

Guter Freund: “Ah, der Ruhestand tut richtig gut. Mit den Enkelkindern spielen ist genau so schön, wie ich es mir vorgestellt habe… Genießt du deinen Feierabend genau so sehr?”

Angestellter: “Ich würde ja… aber ich habe leider keinen guten Kontakt zu meinen Kindern, darum ist es jetzt schon ewig her, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe. Meine Enkelkinder habe ich noch nie gesehen.”

Guter Freund: “Was? Wieso das denn nicht?”

Angestellter: “Ich hatte nie wirklich viel Zeit für meinen Sohn. Ich hab ziemlich viel im Büro gesessen, weil mein Chef mir so viele Projekte übergeben hat. Die meisten hatten eine enge Deadline, da bleibt man halt mal länger am Arbeitsplatz.”

Guter Freund: “Verstehe. Aber das kann doch nicht dein ganzes Berufsleben so gewesen sein.”

Angestellter: “Nein, irgendwann habe ich weniger Arbeiten wollen, weil ich wegen Burn-Out schon zwei Mal im Krankenhaus gelandet bin. Aber mein Vorgesetzter hat gesagt, wenn ich nicht ‘inoffiziell’ mehr übernehme, dann sieht es mit meiner Gehaltserhöhung schlecht aus. Eine Führungskraft arbeitet halt auch mehr als die erlaubten 60 Stunden die Woche.”

Guter Freund: “Wieso bist du nicht zu einem Rechtsanwalt in Peine gegangen? Mensch, du kannst nicht mal mehr Tennis spielen, weil dein Rücken völlig krumm ist. Und jede Woche erzählst du mir, wie sehr deine Gelenke weh tun. Wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre, hätte ich mich zumindest irgendwann einmal bei einem Anwalt informiert.”

Angestellter: “Du bist nicht der erste der mir das sagt… Burn-Out, 10 Jahre kürzere Lebenserwartung, Ehe kaputt und meine Enkel kennen mein Gesicht nicht mal… und das alles für einen größeren Schreibtisch und Geld, das jetzt auf der Bank versauert, weil ich es nicht ausgeben kann.”

Wenn man sich erst einmal so einen Dialog vor Augen hält und merkt, dass man selbst vielleicht in so einer Situation endet, nur damit sich Chef und Kollegen freuen, dann klingt es auf einmal gar nicht wie eine schlechte Idee, sich bei einem Anwalt zu informieren, ob man wirklich zu noch mehr Überstunden gezwungen werden darf.

Hemjas Fliesen

Ich schrie wie jemand, der mit heißem Öl übergossen wurde und obwohl ich seine hässliche Fratze nicht sehen konnte,

so war mir dennoch bewusst das seinUnterkiefer grade über den Boden schleifen musste.
Ich für meinen Teil, wäre bei dieser Show so aus der Fassung geraten.
Und in dieser urkomischen Situation verharrten wir beide, bis uns bewusst
wurde was der eine tat und der andere eigentlich verhindern sollte.
Ich war der Schnellere, schoss auf ihn zu und schlug ihn zu Boden.
Angstschweiß – der ganze Raum stank danach.
Ich tastete Blind nach seinem Fuß und es war wirklich nur Glück, denn meine
Augen hatten sich nicht an die Dunkelheit ausserhalb des Scheinwerfers
gewöhnt.
Wie ein verschrecktes Tier entwand sich nun sein Fuß meinem Griff und
bewegte sich wieder fort ins Dunkel. Für einen Moment verlor ich die

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Übersicht, hörte aber eine Tür und stürzte dem Geräusch hinterher und dann
erschrak ich – da war Licht, ein Fenster – Freiheit.
Und direkt daneben ein entsetzter Grubenthal mit aufgeplatzter Lippe und
perplex verdrehten Augen. Seine Haltung sagte mir, dass dieser Mensch
seiner Aufgabe, mich zu Verhören, in diesem Moment nicht mehr gewachsen
war.
Wieder ein kurzer Moment von Stille, dann ertönte das leise Surren des Katastrophenalarms
irgendwo in der Ferne.
Wenn man das ganze mit Granitfliesen gestaltet hätte, wäre nichts dergleichen passiert.
„Wir haben verloren Herr Grubenthal?“ Ich grinste ihn grimmig an, mir
war allerdings nicht bewusst, dass mein Gesicht geschwollen und von Blutergüssen
übersäht war, es war ohne Zweifel nicht das ungezwungene, lässige
Lächeln, dass es hätte sein sollen.
Bevor er überhaupt auf meine Anwesenheit außerhalb der Folterkammer und
eben diesen Satz reagiert hatte, lag er bereits durch zwei harte Schläge an den
Kopf getroffen wieder am Boden.
„He, sie“ hörte ich es von rechts den Gang hinunter zu mir poltern.
Ich lief, wie niemals zuvor, Grubenthals Schnaufen, Schüsse und das Geschrei
der Wachleute hinter mir lassend.

 

Kapitel 9 Part 10

»Ja, tut mir leid, aber du bist der Einzige im ganzen Trupp, dem ich heute, nach diesem anstrengenden Tag, als zuverlässige Wache vertrauen könnte.
»Ja, ja ist schon gut«, meinte Rizzéan mit niedergeschlagenem Kopf und setzte sich mürrisch neben Ock, der im kühlen Sand hockte und ein wenig nachdenklich aussah.
Seit er Diumond von seinem baldigen Verlassen der Gruppe erzählt hatte, war er völlig verändert. Er sprach nicht mehr und war auch nicht mehr so verspielt wie noch vor kurzer Zeit. Er war zu einem Einzelgänger geworden und grenzte sich von den Anderen ab.

Diumond blieb noch eine Weile bei Ock und Rizzéan, denn er verspürte noch keine allzu große Müdigkeit, da er diese langen, anstrengenden Reisen durchaus gewohnt war.
Die Drei unterhielten sich über alles Mögliche und die Zeit strich schnell an ihnen vorbei. Sie achteten kaum auf irgendetwas, und so kam es auch, dass sie es nicht bemerkten, als sich ein Mann aus dem Lager schlich.

Die Sonne schob sich schon langsam am Horizont hinauf, als dieser Mann zurückkam. Doch immer noch waren Diumond, Rizzéan und Ock in ihr Gespräch vertieft, so dass sie nichts mitbekamen. Sie sprachen gerade über Ock und seine verschollene Familie, die er nun im Felsental wiedertreffen wollte.
»Garnz besorrrnders freue irch mirch auf meinen Bruder Orlf«, sagte Ock und grinste übers ganze Gesicht. »Mirt ihrm birn irch irmer durch die Welt gestreiftr, arls irch norch ein Kirnd war.« Die Erinnerung an seine Kindheit schienen Ock sehr aufzumuntern.
Auch Diumond und Rizzéan waren von Ocks Erzählung berührt und kümmerten sich deshalb kaum um ihre Umwelt. So kam es, dass sie das Verschwinden und Wiederauftauchen des Mannes gar nicht mitbekamen. Denn Schemenhaft war Ihre Wahrnehmung für die kurzweilige Welt der Schnelleber und genauso viel interesse hatten sie für die Fixen Schatten, die Ihre Welt besuchten. Keine Sonderliche.

 

Kapitel 9 (7)

Artož’ Rede ließ Freude unter den Zuhörern aufkommen, denn viele kannten den Wurzelhonig, doch niemand hatte zuvor gewusst, wo er herstammt.
»Wo meinst du denn, wo diese Pflanzen hier in der Nähe zu finden sind?«, fragte Diumond an Artož gerichtet.
»Wenn ich den Weg bisher richtig verfolgt habe, dann meine ich zu wissen, dass es etwa einen Tagesmarsch von hier entfernt eine solche Felslandschaft gibt. Dort könnten wir einmal nach der Pflanze suchen.«
»Könnten wir denn nicht zurückgehen und in den Felsen suchen, die wir erst heute überquert haben?«, fragte Rick’er, der sich bisher völlig aus der Diskussion herausgehalten hatte.
»Nein, das ist eine Ausnahme«, meinte Artož kopfschüttelnd, »diese Region ist der sogenannte Orgha-Pass, der schon von den Ureinwohnern Gaheds bewohnt wurde. Vielleicht hast du Höhlen im Fels gesehen, als wir den Pass überquerten? Dort hausten die Meriuns. Sie waren die hier lebenden Ureinwohner und bauten ihre Höhlen dort schon vor rund zehntausend Jahren. Und von der Generation der Meriuns bis hin in die heutige Zeit, sind die Bewohner im Orgha-Pass ein und ausgegangen. Die Knollenpflanze gibt es dort schon seit längerer Zeit nicht mehr.«
Rick’er nickte verständnisvoll.
Diumond schaute einmal kurz in die Runde und stand auf.
»Also, da ich denke, dass ihr alle hier Versammelten mit Artož’ Vorschlag einverstanden seit, würde ich meinen, wir sollten uns morgen unter Artož’ Führung in Richtung der besagten Felsen aufmachen und dort nach der Knollenpflanze suchen. Wenn alle einverstanden sind, schließe ich hiermit die Sitzung.« Er blickte sich kurz um, doch da er nur nickende und freudig dreinschauende Gesichter sah, fuhr er schon nach kurzer Zeit fort: »Wie ich sehe, seit ihr wohl alle mit Artož’ Vorschlag einverstanden. Dann könnt ihr euch nun schlafen legen.«
Während die Männer sich erhoben und sich in Richtung der Schlafplätze wandten, hielt Diumond Rizzéan noch zurück.
»Würdest du heute Nacht mit Ock zusammen Wache halten?«
»Ja, kann ich machen«, antwortete Rizzéan, auch wenn er nicht allzu glücklich mit seiner Aufgabe zu sein schien.

Kapitel 9 (5)

Bis etwa heute Abend werden wir wohl nur Prärie vor uns haben. Morgen früh ist dann einige Stunden lang nur Wüste vor uns, zumindest, wenn meine Erinnerungen an dieses Gebiet hier stimmen. Doch dann wird das Gelände unwegsam, denn wir nähern uns so langsam aber sicher Felstal. Und dort gibt es viele Täler und es ist sehr bergig.
Auch wir werden schon morgen auf tiefe Schluchten und Felsgebiete treffen, die nur schwer zu überwinden sind. Das wird sicherlich einiges An Kraft kosten. Diese Klettereien werden bestimmt zwei anstrengende Tage dauern. Danach wird das Geländer wieder offener. Prärie und Wüste erwarten uns, und es gibt, glaube ich, sogar einige kleine Wälder dort.
Wir werden unsere Reise heute Abend früher beenden als gewohnt, um mehr Schlaf zu bekommen, denn die nächsten Tage werden einige der anstrengensten auf unserem gesamten Reiseweg nach Etive Graber. Da bin ich mir ganz sicher!«

Rick’er schaute zum Himmel auf. Das rötliche Licht der untergehenden Sonne schimmerte blass durch die dichten Wolken, die sich nun langsam über Merkania zusammenzogen. Es würde wohl in der Nacht ungemütlich werden. Zumindest würde es stürmen, denn so war es auch in den vergangenen drei Nächten gewesen. Vielleicht gibt es ja Regen, dachte Rick’er und bei diesem Gedanken begann seine schon fast ganz geschwundene Hoffnung erneut aufzulodern. Dann würde es am nächsten Tag nicht ganz so heiß werden und vielleicht würde sich in ihrer Nähe sogar ein Tümpel oder ein kleines Bächlein bilden, aus dem sie neue Trinkwasservorräte gewinnen könnten!
Die Dunkelheit würde nun nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen, und so hielt Diumond den Trupp auf.
»Halt!«, rief er laut und alle versammelten sich um ihn. Als Diumond sicher war, dass alle ihn gut hören konnten, verkündete er: »Nun wird es bald Nacht und wir wollen nun nicht mehr weiterziehen. Wir werden uns einen Platz für die Nachtruhe suchen. Morgen werden wir noch vor dem Morgengrauen weiterreisen, den in dieser allzu heißen Gegend wäre es besser, die meist kühlen und angenehmen Morgenstunden zu nutzen. Vielleicht können wir dann am morgigen Tage auch eine Mittagspause einlegen.«

 

Kapitel 9 (4)

»Doch, schon«, antwortete der Zauberer lächelnd. »Aber ich bin diesen Klimawechsel gewohnt. Du musst wissen: Ich bin schon sehr viel auf Gahed herumgekommen. Ich war schon an der Südspitze, aber auch im hohen Norden, von wo der dunkle Herr Morbul seine Macht spielen lässt. Ich habe schon etliche Wetter miterlebt. Eiskälte auf den hohen Gipfeln der Balleren und erdrückende Hitze, wie hier in Merkania oder auch in Moran.
Rick’er, du wirst dich daran gewöhnen müssen, wenn du Morbul besiegen willst. Gerade in der Gegend rund um Etive Graber kann das Klima innerhalb von kurzer Zeit ganz anders werden. Wenn es heute noch regnet und es kalt ist, kann es morgen schon wieder heiß und trocken sein.«
»Ja, aber siehst du denn nicht?«, fragte Rick’er maulend. »Die Männer können nicht mehr weiter. Sie alle brauchen nun ein wenig Ruhe und vor allem auch etwas zu Trinken.«
»Na, einen Fluss oder ein anderes Gewässer werden wir in dieser Gegend wohl kaum finden!«, meinte Diumond lachend. »Da werden wir uns noch ein wenig gedulden müssen.«
»Aber wir haben nicht mehr viele Wasservorräte. Wann, meinst du, Diumond, werden wir auf das nächste Wasser stoßen, wo wir unsere Flaschen neu füllen können?«
»In drei bis vier Tagen werden wir auf einen breiten Fluss treffen; das einzige Gewässer in ganz Merkania. Sein Name ist Méquain. Dort werden wir die Gelegenheit haben, unsere Wasservorräte aufzufüllen. Bis dahin ist es allerdings kraftraubender und schwerer Weg, den wir zurücklegen müssen. Wir sollten uns unser Trinken gut aufteilen und nur etwas zu uns nehmen, wenn es ganz und gar nicht mehr ohne Wasser geht.« Diumond sah Rick’er besorgt an, denn auch er erkannte, dass der Mangel an Wasser hier in der einsamen Steppe ein großes Problem werden könnte.
»Ich bin mir nicht sicher, ob das alle aushalten werden. Aber wenn es noch so ein komplizierter Weg ist, dann sollten wir vielleicht doch lieber keine Pause machen und uns beeilen, denn Wasser brauchen wir echt dringend!«
»Ja, da hast du wirklich Recht!«, sagte Diumond und sah mit einmal sehr bedrückt aus.
Dann schwieg er einige Momente und fuhr schließlich fort:
»Der Weg bis zum Méquain wird nämlich wirklich ein schwerer Weg. Es ist ja schließlich nicht so, dass Merkania ausschließlich aus Flachland bestehen würde.

 

Kapitel 9 (3)

»Ja, ich denke das ganze war einfach ein bisschen viel für dich. Du musst dich einfach ein bisschen ausruhen, dann wird sich das alles schon wieder ändern«, meinte Rick’er und stand langsam auf.
»Komm, lass uns jetzt weitergehen, sonst sind die anderen schon längst fort und wir finden sie nicht mehr.«
Er half Skaera beim aufstehen und die beiden gingen schnell zurück zur Straße und hatten den Trupp bald wieder eingeholt. Unterwegs erzählte Rick’er Skaera dann doch noch von Ock und warum er weggehen wollte. Skaera erschrak zuerst zwar ebenso wie Rick’er zuvor, als Diumond ihm davon erzählte, doch schließlich konnte Rick’er sie überzeugen und sie sah das Ganze wieder recht gelassen.

Es war nun schon Mittag und die Sonne brannte den Männern auf ihre Nacken. Merkania war für ein heißes, trockenes und kaum zu ertragendes Klima bekannt und auch Rick’er konnte das nur bestätigen. Der Schweiß rann ihm über den Körper und er fühlte sich schlapp und ausgelaugt.
Auch den anderen Männern ging es kein Stück besser. Rick’er sah wie sie vor sich hintrotteten, den Kopf zur Erde gesenkt und bei jedem Schritt keuchend. Keiner konnte diese wirklich unerträglich Hitze aushalten.
Rick’er ging nun einige Schritte schneller als die anderen, um Diumond, der den Trupp anführte, einzuholen. Als er bis zu ihm aufschloss und schließlich neben ihm ging, sah Rick’er zu seinem Erstaunen, dass der alte Zauberer kein einziges Anzeichen für Müdigkeit oder Kraftlosigkeit zeigte. Er schritt aufrecht und stolz dahin.
»Diumond«, sprach Rick’er den alten Mann an, »wir müssen eine Pause machen! Diese Mittagshitze ist nicht auszuhalten. Wir sollten uns ein geschütztes Plätzchen suchen, wo wir alle ein wenig Schutz vor der Sonne haben, und abwarten, bis die Luft ein wenig abkühlt. Ich glaube alle hier könnten ein wenig Schatten jetzt gut gebrauchen.«
Doch vorerst schwieg Diumond. Er schien Rick’er gar nicht gehört zu haben.
»Was ist los mit dir? Hast du mich nicht verstanden?«, fragte Rick’er nach einiger Zeit nervös und rieb sich den Schweiß vom Nacken.
»Doch, doch. Ich werde sehen, was sich da tun lässt.«
»Schwitzt du denn überhaupt nicht?«

 

Kapitel 9 (3)

»Skaera!«, rief er laut. »Skaera, warte!«
Sie hörte ihn und blieb kurz stehen und wandte ihren Kopf zurück.
»Warte auf mich!«, schrie Rick’er lauthals und rannte weiter.
Skaera wartete nun tatsächlich und setzte sich ins hohe Gras.
Als Rick’er völlig außer Atem bei ihr ankam, sah er sofort, dass ihr dicke Tränen übers ganze Gesicht liefen. Er setzte sich neben sie und versuchte sie in den Arm zu nehmen. Doch sofort zuckte sie zurück und schaute Rick’er mürrisch an.
»Skaera«, sagte Rick’er fast flehend, »mach es mir jetzt nicht so schwer! Ich weiß ja, ich hätte dich nicht gleich so anmachen sollen. Aber …«, Rick’er hielt einen Moment inne.
»Aber, was?«, fragte Skaera wütend.
»Ich wollte dich jetzt nicht damit beunruhigen, was Diumond mir gerade erzählt hatte.«
Siehst du, ich sag es doch!«, weinte Skaera erneut. »Die arme, kleine Skaera. Man sollte sie bloß nicht belasten, denn ist sie ja viel zu verletzlich!«
Skaera sprang auf und wollte wieder wegrennen, doch Rick’er hielt sie fest und zwang sie sich wieder zu setzen.
»Jetzt bleib doch mal hier. So war das gar nicht gemeint. Ich denke nicht, dass du verletzlich bist, du hast nur gerade ein schweres Erlebnis hinter dir. Oder willst du etwa sagen, dass Merkus’ Burg ganz spurlos an dir vorübergegangen ist?«
Einen Moment schwieg Skaera, doch brach sie völlig aufgelöst in Tränen aus. Rick’er nahm sie behutsam in den Arm und versuchte sie zu beruhigen.
Nach mehreren Minuten kam sie wieder einigermaßen zu sich. Rick’er reichte ihr ein kleines Stofftuch, das er in seiner Tasche gehabt hatte und Skaera wischte sich die Tränen aus den Augen.
»Entschuldige, Rick.«
»Nein, du brauchst dich nicht bei mir zu entschuldigen. Ist schon in Ordnung«, meinte Rick’er und strich ihr langsam mit der Hand über den Kopf.
»Ich weiß nicht was mit mir los ist seit wir in Merkus’ Burg sind. Ich rege mich in letzter Zeit immer sofort auf und bin völlig neben mir.«

 

Kapitel 9 (6)

»Ja, da hast du ganz Recht, Diumond IV. Er ist mein Urgroßvater. Ich bin der Sohn von Ammon VII. Merkus hat mich in seiner Burg gefangen, um die Herrschaft unserer Familie endgültig zu unterbinden.«
»Dann bist du nun der rechtmäßige Herrscher von Merkania, nachdem Merkus untergegangen ist!«, meinte Diumond freudig.
»Ja, das stimmt zwar, doch ich will dennoch lieber mitziehen und Morbul besiegen.«
»Dann sollst du mitkommen! Aber nun zu meiner eigentlichen Frage. Ich selbst kenne Merkania nur von alten Reisen, die mich einst durch dieses Land geführt haben. Doch das war als ich, Diumond IV., noch jung war. Meine Erinnerung an dieses Land sind nur noch schwach. Deshalb frage ich dich, Artož, weißt du, ob es in Merkania noch andere Gewässer gibt als den Méquain. Denn wie euch allen vielleicht schon aufgefallen ist, werden unsere Vorräte an Wasser langsam knapp.«
Artož überlegte kurz. Dann sagte er:
»Nein, das nicht. Da bin ich mir recht sicher. Doch es gibt da etwas, das dieses Problem lösen könnte.«
Er wartete einen Moment und schaute in die Runde von Männern, die gespannt auf seinen Vorschlag warteten.
»Ich kenne eine Pflanze, die ausschließlich hier in Merkania zu finden ist. Sie ist jedoch äußerst selten und wächst nur in den wenig betretenen Felsregionen Merkanias. Die Leute hier nennen sie nur die Wurzel, doch der wirklich Name dieses Gewächses ist plantanus geretniusi. Das ist Altmerkanisch und heißt so viel wie Knollenpflanze. Früher wuchs sie hier überall, doch die Einwohner Altmerkaniens entdeckten das Geheimnis der Wurzel und fast alle Exemplare ab, so dass sie heutzutage eine wahre Rarität geworden ist. Nur in den Felsregionen ist sie bis heute erhalten geblieben, denn dort getrauten sich unsere Vorväter nicht hin.
Die Knollenpflanze ragt etwa kniehoch aus dem Boden, doch der Teil, der sich unter der Erde verbirgt ist eigentlich noch viel größer. Die Knollenpflanze hat nämlich, wie der Name schon sagt, eine besonders große Knolle und diese Knolle ist mit einer trinkbaren und sogar sehr durstlöschenden Flüssigkeit gefüllt. Sie wird in feinen Gastwirtschaften für viele Goldstücke als Wurzelhonig verkauft und ist eine Delikatesse.
Die Knolle einer Pflanze ist bestimmt vier mal vier Fuß groß und bietet ein großes Vorkommen an Wurzelhonig. Wir könnten unsere Trinkvorräte stark aufbessern, wenn wir fünf bis sechs solcher Pflanzen finden würden.«

 

Kapitel 9 (5)

Man hörte ein langanhaltendes Seufzen durch die Reihen gehen und Erleichterung brach unter den ermüdeten Männern aus. Besonders die Nachricht von der möglichen Mittagspause am nächsten Tag machte sie glücklich. Sie alle hatten an diesem Tag die unerträgliche Hitze Merkanias zu spüren bekommen und hatten nicht im Geringsten die Lust das noch einmal zu erleben.
Doch das einzige Problem war, dass in der Umgebung kein geeigneter Platz in Sicht war. Bis zum Horizont sah man nur Wüstenlandschaft und auch einige Felsen, die aber sehr weit von ihrem jetzigen Standpunkt entfernt waren. Bis dahin würden es noch mindestens drei Stunden zu gehen sein. Also mussten sie wohl oder übel ohne jeglichen Schutz in der freien Wüste nächtigen. Die Decken wurde dicht zusammengelegt, sodass sie sich gegenseitig vor Wind und Kälte schützen könnten.
Doch bevor sich alle schlafen legten, sammelte Diumond noch einige Männer um sich. Insgesamt waren es schließlich vierzehn: Außer Diumond noch Rick’er, Rizzéan, D?riec, Archer, Gothus und acht weitere Männer, die aber Rick’er bisher nicht bekannt waren.
Diumond sammelte alle um sich und begann zu sprechen:
»Ich habe euch alle zu mir gerufen, weil ich mit euch noch etwas wichtiges besprechen muss. Kommt mit!« Er bedeutete ihnen ihm zu folgen und sie gingen etwas von den anderen weg, um sie in Ruhe schlafen zu lassen. Die vierzehn Männer setzten sich in den kühlen Wüstensand und als sich dann alle in einem Kreis zusammengefunden hatten, begann Diumond mit seinen Erklärungen.
»Ich denke wir müssen heute Abend einige Entscheidungen treffen!« Diumond schaute nachdenklich in die Runde. Alle Gesichter zeigten Müdigkeit und Schlaffheit. »Ja, leider ist es nicht zu umgehen, dass ihr noch ein wenig auf euren wohlverdienten Schlaf wartet. Die Angelegenheit ist äußerst wichtig. Zuerst einmal die Frage: Wer von euch ist hier aus Merkania und kann mir etwas über die Gegend erzählen?«
»Ja, Diumond, ich bin von hier«, sagte ein Mann. Er war mit einem sandfarbenen Jagdanzug bekleidet.
»Wer bist du?«, fragte Diumond und blickte den Mann an.
»Mein Name ist Artož II. Ich komme aus der kleinen Stadt Fenharn in der Nähe des Felstals.«
»Du bist bestimmt ein Nachfahre von Artož dem Ersten, dem Herrscher von Merkania vor Merkus«, meinte Diumond und schaute Artož lächelnd an.